Im Rahmen des Interreg Bayern-Österreich Projektes WINALP21 fand am 30. April 2024 am Institut für Naturgefahren des Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) in Innsbruck eine Fachtagung zum Thema „Bergwald im Klimawandel“ statt. Ein Schwerpunkt lag auf den Herausforderungen für den Schutzwald.
Über 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Österreich, Italien, Deutschland und der Schweiz diskutierten über den Bergwald, die Schutzfunktion des Bergwaldes und dessen Zukunft im Zuge des Klimawandels. In sechs Vorträgen wurde die Thematik Bergwald von dessen Vergangenheit bis hin zu seiner möglicher Zukunft dargestellt.
Die Kernbotschaften der Tagung
- Der Wald war historisch und ist aktuell im Wandel, der Mensch war und ist dabei der wichtigste Akteur.
- Durch den Klimawandel stehen sowohl in den Alpen als auch global bedeutende Veränderungen der Wälder bevor. Die aktuelle Waldvegetation scheint vielfach am Rand seines ökologischen Spektrums angelangt zu sein.
- Die Erhaltung der Schutzfunktion des Waldes ist an zeitliche Perioden von mehreren Jahrzehnten gebunden.
- Der Schutzwald muss durch waldbauliche Maßnahmen gestaltet werden. Maßnahmen nach Störungen im Schutzwald müssen zur Erhaltung des Standortes rasch und effizient getroffen werden.
- Es liegt bereits viel Wissen zur Anpassung unserer Bergwälder an den Klimawandel vor. Dieses Wissen muss rasch erweitert und umgesetzt werden.
Im Zuge von WINALP21 werden Datengrundlagen, Entwicklungsperspektiven und Handlungsanleitungen erstellt, um standortsangepasste Forstplanung unter dem Aspekt des Klimawandels zu gewährleisten.
Die Ergebnisse von WINALP21 erlauben, das Richtige am richtigen Standort zu tun. Das Projektgebiet besteht aus den bayerischen Alpen und den österreichischen Bundesländern Vorarlberg, Tirol und Oberösterreich.
Die Vorträge
Georg Neuhauser (Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie, Universität Innsbruck) verwies auf die Auswirkungen intensiver historischer Waldnutzung im Gebiet der heutigen Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino: Bergbau und Salzgewinnung veränderten gravierend die Waldausstattung. Gesetzliche Regelungen sowie das wirtschaftliche Ende von Salz- und Bergbau führten zu einer Erholung der Bestände, aktuell gibt es in Tirol so viel Wald wie schon seit Jahrhunderten nicht mehr.
Georg Pircher (Forstinspektorat Schlanders, Forstdienst der autonomen Provinz Bozen-Südtirol) berichtete von großflächigen Aufforstungen der sonnseitig exponierten Hänge in den inneralpinen Trockengebieten des oberen Vinschgaus mit Schwarzföhren (Pinus nigra). Diese zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts getätigten Aufforstungen stehen aktuell vor einem weiteren Umbau, da die Bestände durch Trockenheit und Schädlingsbefall stark gefährdet sind.
Dominik May (Berner Fachhochschule) referierte über Analysen zur Quantifizierung der Schutzwirkung des Waldes. Beachtlich ist die Zeitspanne von einem Jahrhundert, die der Wald benötigt, um seine Schutzwirkung gegen Steinschlag und Rutschungen wiederherstellen zu können. Auch in Bezug auf den Schutz vor Murereignissen ist nach dem Zusammenbruch eines Bestandes mit ähnlich langer Zeitdauer zur Wiederherstellung der Schutzwirkung zu rechnen, eine monetäre Bewertung der Schäden zeigen an einem Fallbeispiel hohe jährliche Kosten.
Mortimer M. Müller (Institut für Waldbau, Universität für Bodenkultur Wien) analysierte die Waldbrandsituation in Österreich sowohl in einem historischen Rückblick als auch die Künftige. Durch Erwärmung und Trockenheit ist mit einer Zunahme von Waldbrandereignissen zur rechnen, entsprechende Werkzeuge zur Risikoabschätzung wurden bereits erstellt. In Bezug auf die Naturgefahrensituation können nach Brandereignissen Erosion, Steinschlag- und Murereignisse verstärkt auftreten. Langfristig sind auch negative Auswirkungen durch Degradation möglich, wenn nicht entsprechende Maßnahmen gesetzt werden.
Alessandra Bottero (Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Davos) berichtet über die Thematik der Trockenheit und Wasserstress von Gebirgswäldern. Als Anpassungsstrategien wird eine verstärkte Durchforstung vorgeschlagen, die Wachstum, Vitalität und Stabilität der Bestände erhöht. Am Beispiel einer Versuchsfläche wurde waldbauliche Eingriffe (Rottenmanagement) im Hinblick auf Baumwachstum und Reaktion auf Trockenheit untersucht.
Walter Oberhuber (Institut für Botanik, Universität Innsbruck) ging auf die Klimaänderungen der letzten Jahrzehnte im Alpenraum sowie global ein und setzte diese in Bezug zur Klimageschichte der letzten 10.000 Jahren. Die aktuell ablaufenden Veränderungsprozesse sind in Bezug zur vergangenen Entwicklung einzigartig. Klimabedingtes Waldsterben wurde ebenso diskutiert wie der Anstieg der Waldgrenze. Eine mögliche Ursache für verstärkte Mortalität von Bäumen könnte in der geringen relativen Luftfeuchte liegen, ebenso wie in Extremtemperaturen.